Dass die Moral erst nach dem Fressen kommt, wissen wir spätestens seit Brecht. Und so hält es offenbar auch ein Teil der Stromkunden in Deutschland: Immerhin jeder Fünfte sagt aktuell ja zu einem Ausstieg aus dem Atomausstieg, wenn dadurch der Strom billiger werden würde. Dies besagt eine von Verivox beauftragte Studie zu den Wünschen und Erwartungen deutscher Energieverbraucher.
Stromkunden verfallen in Atomkraft-Nostalgie
Die mit 20 Prozent durchaus bemerkenswerte Quote der Atomstrom-Befürworter steht in deutlichem Widerspruch zu den immer wieder abgefragten und ungebrochen hohen Zustimmungswerten zur Energiewende. Mit anderen Worten: Die Bundesbürger sind zwar pro erneuerbare Energien, das Verständnis für die damit verbundene Kostenlast bröckelt inzwischen jedoch gewaltig. Und das hat durchaus seine Gründe: In den letzten zehn Jahren sind die Strompreise in Deutschland um etwa ein Drittel gestiegen und liegen mit einem bundesweiten Schnitt von knapp 30 Cent pro Kilowattstunde mit an Europas Spitze. Schlimmster Wucherer sind in der Tat die staatlichen Preisbestandteile, die inzwischen mehr als 50 Prozent der Stromkosten für Privathaushalte ausmachen. Und darunter fällt eben auch die hassgeliebte EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien. Die möchte ein Fünftel der Deutschen nun offenbar nicht mehr auf der Stromrechnung sehen und sagt stattdessen: Atomkraft, ja bitte!
Erstens: Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass Atomstrom billig wäre. Abgesehen von den versteckten Milliarden-Subventionen, die die Atomenergie – eben nicht über den Strompreis, sondern über Steuergelder – quasi seit der Spaltung des ersten Kerns erhalten hat, erzielen erneuerbare Energieträger wie Wind und Sonne heute deutlich niedrigere Stromerzeugungskosten als alte wie neue AKW. Und selbst wenn man das Sicherheitsrisiko totschweigt, bleiben immer noch die teuren Langzeitfolgen. Schließlich dürfen unsere Kindeskinder den verbuddelten Atommüll noch in Jahrtausenden verwalten. Zweitens: Die Politik sollte aus der Stinkstiefeligkeit einiger Verbraucher dennoch lernen. Anscheinend ist für immer mehr Menschen die Schmerzgrenze in Sachen Strompreis erreicht. Zumindest eine gerechtere Verteilung der Kosten (Grüße an die Industrie) könnte helfen, dem für unsere Zukunft so wichtigen Projekt Energiewende nicht die unentbehrliche Akzeptanz der Bürger zu rauben.
Bild © S. Hofschlaeger, Pixelio
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