Die Energiekrise hat den Strompreis in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren auf den Kopf gestellt – und anschließend wieder umgedreht. Verbraucher sind verunsichert, bei welchem Versorger sie welche Tarifart zu welchen Konditionen abschließen sollen. Und selbst Marktexperten driften in ihren Prognosen zur langfristigen Preisentwicklung stark auseinander.

Grundversorger und Alternativanbieter: Hochs und Tiefs im Wechsel
Im Oktober 2022 verlangten Stromanbieter in Deutschland für neu abgeschlossene Tarife außerhalb der Grundversorgung im günstigsten Fall knapp 62 Cent pro Kilowattstunde – eine Verdreifachung des Strompreis-Niveaus vor der Energiekrise. Dementprechend flüchteten sich zahlreiche Kunden in die örtliche Grundversorgung, deren Preise auf dem Höhepunkt der Krise mit rund 40 ct/kWh noch vergleichsweise moderat blieben.
Wenige Monate später steht der Markt Kopf: Die Energiekrise scheint, wenn auch nicht gebannt, doch zumindest eingedämmt, und der Strompreis purzelt: Zunächst auf die gesetzliche Preisbremse von 40 ct/kWh, anschließend schnell und deutlich auf rund 30 Cent. Allerdings nur in Stromtarifen außerhalb der Grundversorgung. Für die berechnen die örtlichen Stadtwerke seit Monaten unverändert 50 ct/kWh und mehr – mit Verweis auf den kostspieligen Rettungsschirm, den die Grundversorger im vergangenen Jahr für Hunderttausende von Discountanbietern verprellte Kunden aufspannen mussten.
Was bedeutet das Hin und Her nun für Verbraucher? Zunächst mal Verwirrung. Aber letztlich auch ein Stück Gewohnheit: Die Grundversorgung ist wieder teuer, alternative Tarife deutlich günstiger. Sollten Haushalte also bei hohen Kosten den Anbieter wechseln? Unbedingt, aber bitte nur zu verlässlichen Versorgern, die ihre Kunden während der letztjährigen Preiskrise nicht fallen gelassen haben wie heiße Kartoffeln.
Langfristiger Strompreis: Experten uneins
Was den langfristigen Strompreistrend angeht, da sind sich Marktbeobachter uneins. Oder besser gesagt: teils völlig entgegengesetzter Meinung. So geht beispielsweise Stefan Kapferer, Chef des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz, davon aus, dass die Strompreise in Deutschland innerhalb der nächsten Jahre erheblich und dauerhaft sinken werden. Er spricht im Interview sogar von einem Strompreis „von 10 Cent oder weniger pro Kilowattstunde“. Der würde schon heute immer dann erreicht, wenn hohe Strommengen aus erneuerbaren Energien verfügbar seien. Weil das in Zukunft immer häufiger der Fall sei, werde man „ein ganz anderes Preisniveau“ sehen. Dass in Deutschland genügend erneuerbarer Strom verfügbar sei, um für dauerhaft niedrige Kosten zu sorgen, hält Kapferer für „eine Frage von drei, vier Jahren“.
Ganz anderer Ansicht ist Umweltökonom Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum. Er befürchtet für die kommenden Jahre ein tendenziell hohes Strompreisniveau. Grund sei der zwangsläufig steigende Strombedarf durch die fortschreitende Elektrifizierung der Sektoren Gebäude und Verkehr – also durch immer mehr E-Autos und Wärmepumpen. Aus klimapolitischer Sicht sei günstiger Strom wichtig, sagt Löschel, weil er den Umstieg auf solche klimafreundlichen Technologien ermögliche. Wenn jedoch Gas, wie momentan zu beobachten, wieder sehr günstig werde, Strom aufgrund der hohen Nachfrage jedoch nicht, dann werde die Energiewende weniger attraktiv. Der seiner Meinung nach einzige Ausweg aus diesem Dilemma: der rapide Ausbau erneuerbarer Energien.
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