Los Angeles, London und Vancouver haben es getan, genau wie Münster, Marl und Bochum: Sie und viele weitere Städte haben den sogenannten Klimanotstand ausgerufen. An genau diesem Begriff, der schon jetzt vielversprechende Siegchancen bei der kommenden Wahl zum Wort des Jahres haben dürfte, scheiden sich jedoch die Geister. Vor allem weil befürchtet wird, dass den Worten letztlich kaum Taten folgen.
Sensibilisierung und Handlungsmaxime
Wenn eine Stadt den Klimanotstand ausruft, sei das zunächst nicht mehr als ein politischer Appell, sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, vor wenigen Tagen im Interview mit dem Westdeutschen Rundfunk. Allerdings ein Appell, der Wirkung zeige. Dedy sieht im Klimanotstand eine Hilfestellung für Städte, künftige Vorhaben stets im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit zu überprüfen. Der Notstand trage damit zur Sensibilisierung bei und mache Klimaschutz zur Handlungsmaxime der Stadtentwicklung von morgen. Ob diese nun unter dem Begriff Klimanotstand oder Klimaschutzplan stattfinde, sei nicht entscheidend, sagt Dedy, sondern einzig und allein, dass damit konkrete Maßnahmen verbunden seien.
Falsche Rhetorik und politische Selbstbefriedigung
Radikal anders äußert sich Burkhard Drescher, Geschäftsführer des Projekts InnovationCity Ruhr, in dessen Rahmen die Stadt Bottrop derzeit modellhaft energetisch saniert wird. Dass immer mehr Kommunen den Klimanotstand ausrufen, bezeichnet der Stadtmodernisierer im Interview mit der Westfälischen Rundschau als empörend. Statt inhaltslose Appelle zu formulieren, sollten die Kommunen ihre Quartiere lieber Hand in Hand mit den Bürgern klimagerecht umbauen, sagt Drescher, der sich insbesondere an der „höchstgradig kontraproduktiven“ Bezeichnung stört. „Weil der Begriff Notstand negative Assoziationen weckt. Das birgt die Gefahr, dass mit Klimaschutz Enthaltsamkeit und Not verbunden wird, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Klimaschützende Maßnahmen erhöhen die Lebensqualität, schaffen Arbeitsplätze und volkswirtschaftlichen Fortschritt (…) und dann höre ich etwas von Notstand. Das bringt mich verbal auf die Barrikaden. Klimaschutz ist eine Chance für die Städte.“ Drescher bezweifelt außerdem die Wirksamkeit einer Botschaft, die er für inflationären Aktionismus hält: „Die Ausrufung des Klimanotstands, ohne konkrete Inhalte damit zu verknüpfen, ist ein Akt der politischen Selbstbefriedigung. Wenn der Begriff nicht gefüllt wird, hat das keinerlei Auswirkungen auf das Klima.“
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