Gastartikel von Anja Beyreuther, Polarstern Energie
Es gibt immer mehr Ökostromtarife von immer mehr Anbietern. Weil inzwischen rund 60 Prozent der Wechsler einen Ökostromtarif wählen, ist der Markt entsprechend attraktiv geworden. In manchen Regionen haben Haushalte bereits die Wahl zwischen mehr als 300 Produkten. Das Problem: So ein wachsender Markt weckt auch das Interesse von Anbietern, die abgesehen von einem einzelnen Ökostromangebot, ansonsten wenig verantwortungsbewusst handeln.

Die drei Polarstern-Gründer Simon Stadler, Jakob Assmann und Florian Henle.
Allein der Name Ökostrom sagt nicht viel über einen glaubwürdigen Beitrag zur Energiewende. Es kann leicht ein Feigenblatt sein, etwa wenn der Konzern seinen Umsatz vor allem mit fossilen Energien macht. Immer häufiger wird daher wie beim Ökostromtest des Magazins ÖkoTest oder bei Analysen von Umweltverbänden wie Robin Wood auch der Stromanbieter hinter dem Angebot unter die Lupe genommen. Es wird beispielsweise geprüft, ob Vernetzungen mit Atom- und Kohlekraftwerken bestehen oder ob neben Ökostrom auch fossile Stromprodukte angeboten werden.
Auch Nachhaltigkeits-/CSR-Experten raten Verbrauchern vor allem den Energieversorger hinter den Produkten anzuschauen. Sie beteuern, dass Corporate Social Responsibilty (CSR) Teil der Geschäftsstrategie sein müsse und nicht als einzelne Maßnahme oder Marketingaktion missverstanden werden dürfe.
Ab Januar 2017 müssen kapitalmarktorientierte Unternehmen nach einer EU-Richtlinie (Richtlinie 2014/95/EU) einen Nachhaltigkeits-/CSR-Bericht veröffentlichen. Das heißt, dass sie dann Angaben zu ihren ‚nicht-finanziellen’, also den sozialen und ökologischen Aktivitäten und Auswirkungen ihres unternehmerischen Handelns machen müssen. Das ist ein erster Schritt zu mehr Transparenz im Energiemarkt. Aber nach wie vor unterliegt nicht jedes Unternehmen dieser Richtlinie. Sie gilt vor allem für große Unternehmen, die im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen. Damit sind „börsennotierte Unternehmen, Banken, Versicherungsunternehmen und andere von den EU-Ländern als wichtig eingestufte Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten“ gemeint, so die Europäische Kommission. Zudem hat ein Energieanbieter heute immer häufiger mehrere Strommarken. Dadurch wird die Transparenz zusätzlich erschwert.
Woran erkennen Verbraucher ein verantwortungsvoll handelndes Unternehmen?
Wie verantwortungsbewusst ein Unternehmen handelt, kann man wie gerade genannt beispielsweise in CSR-Berichten nachlesen. Davon gibt es inzwischen viele verschiedene Varianten u. a. Global Reporting Initiative (GRI), Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) und die Gemeinwohlbilanz. Weil aber nicht alle Unternehmen solche Berichte veröffentlichen, viele Berichte nicht automatisch von Dritten geprüft werden und die Inhalte zum Teil sehr flexibel sind, lohnt sich stets ein Blick auch auf die Webseite des Anbieters. Wie transparent kommuniziert er? Welche Themen stehen bei ihm im Vordergrund? Werden alle Fragen auch zur Herkunft des Stroms und zu Geschäftspartnern beantwortet?
Dabei gilt: Wer nichts zu verstecken hat, beschränkt sich in seiner Kommunikation nicht auf einzelne soziale Projekte, sondern kommuniziert darüber hinaus über das Unternehmen selbst, seine Führungskräfte und Mitarbeiter, zur Herstellung seiner Produkte und zu seinen Beziehungen zu anderen Unternehmen. Je offener und klarer das geschieht, umso glaubwürdiger erscheint das Unternehmen und weckt Vertrauen.
Beispiel: Polarstern, ein Social Business im Energiemarkt
Die drei Gründer Florian Henle, Jakob Assmann und Simon Stadler verbinden seit ihrer Gründung das gesellschaftliche Ziel der Energiewende mit ihrem unternehmerischen Handeln; angetrieben von der Vision, mit Energie die Welt zu verändern.
Seit 2011 bieten sie dazu Haushalten und Geschäftskunden ausschließlich Ökostrom aus 100 Prozent deutscher Wasserkraft und 100 Prozent Ökogas aus organischen Reststoffen. Gleichzeitig unterstützen sie für jeden Kunden konkrete Energieprojekte in Deutschland, beispielsweise in Sachen Energieeffizienz und fördern pro Kunde jedes Jahr auch eine Familie in einem Entwicklungsland, beim Bau ihrer eigenen Mikro-Biogasanlage. Dahinter steckt ihre Überzeugung, dass die Energiewende nur weltweit erfolgen kann. Klima und Umwelt kennen keine nationalen Grenzen.
Die Polarsterngründer nehmen ihr Engagement ernst. Das zeigt sich zum einen darin, dass sie ausschließlich 100 Prozent erneuerbare Ökostrom- und Ökogasprodukte anbieten und die dezentrale Energiewende durch Mieterstrom vorantreiben. Zum anderen gehört für sie dazu auch die Auswahl ihrer Lieferanten. Polarstern’s Strom stammt beispielsweise aus dem einzigen Kraftwerk in Deutschland, dessen Strom das europäische EKOEnergy Label trägt. Dabei darf Wasserkraft nur aus Kraftwerken kommen, die nach der Konsultierung lokaler Umweltorganisationen vom EKOenergie-Board akzeptiert wurden.
Diese und viele weitere Facetten der Unternehmensführung, zum Beispiel im Umgang mit Mitarbeitern und Partnern finden Interessierte in der Gemeinwohlbilanz, der ersten eines Ökoenergieversorgers. Die Polarsterngründer verstehen die Bilanz, in der ihr Engagement durch Dritte bewertet wurde, auch als Anregung, um ihr Engagement im Sinne des Gemeinwohls weiter auszubauen.
* Hintergrund: Geprüft wird eine Gemeinwohlbilanz durch ein sogenanntes „Peer Review“-Verfahren. Das heißt, mehrere Unternehmen, die alle eine Gemeinwohlbilanz erstellen, prüfen sich gegenseitig, moderiert von einem externen Berater, der den Prozess lenkt und ebenfalls die Unternehmen zertifiziert. Geprüft werden anhand klarer Kriterien alle Funktionsbereiche und die Struktur des Unternehmens. Ziel ist es, ein klares Bild und eine verbesserte Vergleichbarkeit der Unternehmen hinsichtlich ihres am Gemeinwohl orientierten Handelns zu ermöglichen und auch konkrete Verbesserungsmaßnahmen anzuregen. Im Unterschied zu anderen CSR-Berichten weist die Gemeinwohlbilanz also klare Prüfkriterien, ihre quantifizierbare Bewertung und im Vergleich niedrigere Auditierungs- und Lizenzierungskosten auf.