Jedes Unternehmen in Deutschland benötigt Energie. Strom für Anlagen in der Produktion, Wärme für Gebäude. Größere, produzierende Mittelständler benötigen dabei häufig soviel Strom und Wärme, die jeweils dem Verbrauch einer Kleinstadt entsprechen können. Klimaschützer sprach mit Prof. Dr. Andreas Schulte, Leiter des Wald-Zentrums der Universität Münster, über die Möglichkeiten von Unternehmen, Energie zu sparen und damit nicht nur im Sinne der Umwelt, sondern auch im Sinne der Wirtschaftlichkeit zu handeln.
Klimaschützer:
Prof. Schulte, vorab die wichtigste Frage: Kann Klimaschutz für ein Unternehmen überhaupt wirtschaftlich sein?
Prof. Schulte:
„Ich behaupte sogar: Umwelt- und Klimaschutz sind heute Voraussetzung für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg! Aber fangen wir von vorne an. Unternehmen, die sich für erneuerbare Energien interessieren, haben natürlich die enorm gestiegenen Energiepreise im Blick – oder besser im Nacken. Durch Optimierungen im Produktionsprozess können der Energieverbrauch und damit die Kosten gesenkt werden, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und damit volatilen, stark steigenden Preisen bleibt jedoch bestehen. Natürlich ist ein Umstieg auf erneuerbare Energien mit einer Investition verbunden. Neue Anlagen müssen angeschafft und installiert, ggf. Personal angelernt und neue Zulieferer gefunden werden. Das Beispiel einer von uns durchgeführten Studie für die Krombacher Brauerei zeigt, dass sich diese Investition bereits nach deutlich weniger als 10 Jahren bezahlt macht. Das Unternehmen reduziert damit bereits mittelfristig die CO2-Emissionen, die Abhängigkeit von großen Energieversorgern und Energiekosten in Millionenhöhe jährlich.“
Klimaschützer:
Wie wird man als Unternehmen klimaneutral?
Prof. Schulte:
„Der Weg zur sogenannten Klimaneutralität beginnt mit der Erfassung der Treibhausgasbilanz des Unternehmens, des Corporate Carbon Footprint. Um diesen zu ermitteln werden nach vorgegebenen Standards möglichst sämtliche Stoff- und Energieströme des Unternehmens identifiziert und quantifiziert. Ist dies geschehen, ist der 1. Schritt die Vermeidung von Emissionen durch z. B. Steigerung der Energieeffizienz bei der Produktion, dem Umstieg vom Flugzeug auf die Bahn, etc. Im 2. Schritt wird geprüft, welche Möglichkeiten bestehen, aus der fossilen in die regenerative Energieversorgung am Standort selbst einzusteigen. Hierbei gibt es keine allgemeingültigen Lösungen, sondern nur einzelbetriebliche Betrachtungen, die dann mit Vorschlägen von der Geothermie bis zum Biomasse-Blockheizkraftwerk reichen können.
Trotz Vermeidung und Substitution verbleiben grundsätzlich klimarelevante Emissionen, die nicht vermieden werden können. Um diesen ‚Rest-Fußabdruck’ auszugleichen kann ein Unternehmen dann als 3. Schritt Natur- und Umweltschutzprojekte initiieren oder unterstützen, die z. B. über die Wiedervernässung von Mooren oder Moorwäldern, Waldschutzprojekte bzw. Aufforstungen von degradierten Agrar- und Weideflächen CO2 binden oder natürliche Emissionen stoppen.“
Klimaschützer:
Viele Unternehmen geben sich einen grünen Anstrich. Ist Nachhaltigkeit nur ein Modetrend für Unternehmen.
Prof. Schulte:
„Im Jahr des Waldes muss man darauf verweisen, dass das heute fast überstrapazierte Prinzip des nachhaltigen Wirtschaftens erstmalig vor etwa 300 Jahren in forstwirtschaftlichen Schriften beschrieben wird. Von den Zinsen leben, nicht von der Substanz, bringt das Prinzip der nachhaltigen Waldbewirtschaftung auf den Punkt und meinte damals, nur soviel Holz dem Wald zu entnehmen, wie nachwächst. Heute wird der Begriff der Nachhaltigkeit auch in Unternehmen, die auf den ersten Blick weit von der Forst- und Holzwirtschaft entfernt sind, zum Leitprinzip erhoben. Ökologische Aspekte des Umwelt- und Naturschutzes werden heute mit sozialen und wirtschaftlichen Zielen verknüpft.
Grüne Verpackungen, die aus dem Marketing kommen, reichen längst nicht mehr aus und werden schnell als ‚Greenwashing’ erkannt. Eins ist klar: Der Wille zum nachhaltigen Wirtschaften muss langfristig in einer Nachhaltigkeitsstrategie und damit auch in der Unternehmensleitung verankert sein. Diese rechnet sich bereits kurz- bis mittelfristig nicht nur für die Natur und das Klima, sondern auch den betriebswirtschaftlichen Erfolg.“
Das Team des Wald-Zentrums berät Unternehmen, die zukünftig nachhaltig bzw. klimaneutral arbeiten und dabei auch noch Kosten einsparen wollen. Dazu entwickeln die Wissenschaftler Machbarkeitsstudien, die eine wissenschaftliche und unabhängige Entscheidungsgrundlage für die Unternehmen darstellen. Neben der Krombacher Brauerei gehören u.a. auch die Provinzial Rheinland Versicherung AG und die Klasmann-Deilmann GmbH zu den Kunden des Wald-Zentrums in Sachen nachhaltig erfolgreichem Wirtschaften.