Im Rahmen der laufenden Koalitionsverhandlungen beraten Union und SPD gegenwärtig über ein Vorauskasse-Verfahren, welches Stromsperren vermeiden soll. Demnach sollen Kunden, die bei der Zahlung ihrer Stromrechnung im Rückstand sind, künftig Guthabenkarten erwerben können, um nach dem Prepaid-Prinzip Strom zu verbrauchen. Auf diese Weise sollen sowohl Schulden der Stromkunden bei ihrem Anbieter als auch Zwangsstilllegungen des Stromanschlusses verhindert werden. Zudem sollen betroffene Haushalte lernen, sparsamer und achtsamer mit ihrem Energieverbrauch umzugehen.
Samuel Schmidt, Geschäftsführer der des Energieversorgers ExtraEnergie und früher als Energie-Manager in England tätig, hält das Prepaid-Prinzip beim Stromverbrauch jedoch für denkbar ungeeignet: "England ist das beste Beispiel dafür, dass Vorauskasse-Stromzähler das soziale Problem der Energiearmut unnötig verschärfen. Keiner will, dass am Ende eines Monats ganze Stadtteile im Dunkeln liegen, wenn die Vorauskasse-Guthaben sozial benachteiligter Verbraucher erschöpft sind. Der Vorschlag, das Problem der Energiearmut mit Vorauskasse-Stromzählern zu bekämpfen, ist herzlos und zeugt von Unkenntnis der Verhältnisse in England. Wir halten diese Idee für einen undurchdachten Schnellschuss."
Schmidt erläutert, dass Vorauskasse-Tarife in England um bis zu 20 Prozent teurer als die normalen Tarife mit monatlichem Abschlag seien. Die Kosten für den Einbau eines speziellen Vorauskasse-Zählers, der erhöhte Aufwand für Kundenservice und Abrechnung sowie die Mehrkosten für die Distribution der Vorauskasse-Guthaben würden die Tarifpreise in die Höhe treiben. Betroffene Kunden in England würden regelmäßig von der automatischen Sperrung nach Erschöpfen ihres Guthabens überrascht. Besonders im Winter sei dies kritisch, weil damit oftmals auch die Heizung ausfalle und kein warmes Wasser mehr zur Verfügung stehe.
Laut Auskunft der Bundesnetzagentur sind derzeit mehr als 300.000 Haushalte in Deutschland vom Problem der Energiearmut betroffen. Samuel Schmidt: "Die betroffenen Haushalte brauchen dringend die Hilfe der Solidargemeinschaft. Ihnen Vorauskasse-Stromzähler einzubauen bedeutet nur, ihnen regelmäßig zum Monatsende den Strom abzudrehen, wenn das Guthaben aufgebraucht ist. Die Lösung kann nur sein, diese Haushalte in die Lage zu versetzen, ihre Stromrechnung wieder bezahlen zu können, und die Kostenexplosion beim Strom in den Griff zu bekommen." Nach eigenen Aussagen arbeitet die ExtraEnergie GmbH gegenwärtig an der Einführung von Sozialtarifen. Allen Kunden, die von der Rundfunk-Gebühr befreit sind, soll ein zusätzlicher Rabatt beim Strombezug eingeräumt werden. Die neuen Sozialtarife will das Unternehmen bereits 2014 einführen.
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Björn Katz, Redaktion StromAuskunft