So langsam hat man das Gefühl, den Netzausbau will überhaupt niemand mehr: Die Politik nicht, weil er teuer ist, die Bürger nicht, weil er hässlich ist, Energie- und Umweltverbände nicht, weil sie ihn in der geplanten Form gar nicht für nötig halten, und wir Verbraucher nicht, weil die Netzentgelte unsere Stromrechnung immer überproportionaler belasten. Ob letzteres gerechtfertigt ist, darüber wird schon lange gestritten. Die Berliner Denkfabrik Agora Energiewende sagt aktuell: Stromkunden in Deutschland zahlen jedes Jahr hunderte Millionen Euro zu viel an die Netzbetreiber. Überprüfbar ist das leider nicht.
Gutachten wirft Netzbetreibern und Regulierungsbehörden Intransparenz vor
Ein neues Gutachten von Agora Energiewende beziffert den mutmaßlich ungerechtfertigten Aufschlag bei den Netzgebühren auf eine Blackbox-Summe irgendwo zwischen 360 und 900 Millionen Euro pro Jahr, die allein durch zu großzügige Regelungen seitens der Bundesnetzagentur und der Landesbehörden für den Bau neuer Leitungen entstünden. Hinzu käme ein Schaden von weiteren 145 Millionen Euro, der auf eine zu hoch bemessene Eigenkapitalverzinsung der Netzbetreiber durch die Bundesnetzagentur zurückzuführen sein.
Genauer lasse sich der Schaden für die Verbraucher nicht beziffern, da die Regulierungsbehörden ihre Entscheidungen zur Höhe der Netzentgelte allenfalls unvollständig und zu einem Großteil geschwärzt veröffentlichten, so die Autoren der Studie. Diese Praxis widerspreche eindeutig den Transparenzvorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes. Trotzdem seien die meisten Klagen auf mehr Transparenz zugunsten von Stromverbrauchern vor Verwaltungs-, Zivil- und sogar dem Bundesverfassungsgericht bislang gescheitert. Umgekehrt haben die Netzbetreiber in der jüngeren Vergangenheit erfolgreich gegen Vorstöße zur Kürzung von Netzentgelten bzw. den damit verbundenen Renditen geklagt. Diese juristische Praxis sei nichts anderes als Willkür, monieren die Gutachter.
Die Netzentgelte machen inzwischen mehr als ein Viertel des Strompreises für Privathaushalte aus. Bei einem Durchschnittshaushalt seien das rund 250 Euro im Jahr, sagen die Berliner Energieexperten. Entsprechend gesunken ist die Toleranz der Bürger, weiterhin die Zeche für Netzausbau und -eingriffe zu zahlen – zumal viele Stromgroßverbraucher aus Gewerbe und Industrie demgegenüber finanziell entlastet werden.
Bild © Rainer Sturm, Pixelio
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