Im Dunstkreis von Bürgerenergie-Genossenschaften und Mieterstromprojekten wächst derzeit ein neuer Trend: Die Ökostrom-Vermarktung von privat zu privat. Die Berliner Energiemarkt-Analysten von Energy Brainpool sprechen in ihrem gestern veröffentlichten „Impulspapier Bürgerstromhandel“ sogar von einer zweiten Liberalisierung des Strommarktes.
Mein Nachbar, mein Versorger
Wir hatten vor Kurzem bereits über den Online-Strommarktplatz enyway berichtet – ein Spin-Off des Hamburger Ökoenergiepioniers LichtBlick. Auch diese Plattform hat sich der Vermarktung von Strom, vorzugsweise aus solarer Eigenproduktion, von Bürger zu Bürger verschrieben. Energy Brainpool hat die Idee nun in größerem Maßstab betrachtet und deren Potenzial für die Energiewende ausgelotet. Fazit: „Der Stromhandel zwischen privaten Energieproduzenten und ihren Nachbarn kann mit einfachen rechtlichen und energiewirtschaftlichen Maßnahmen zu einem dynamischen Markt mit großem Effekt für die Energiewende werden.“
Der Stromhandel zwischen sogenannten Prosumern – also beispielsweise Privathaushalten mit Photovoltaikanlage, die sowohl Konsument als auch Produzent von Sonnenstrom sind – und ihren Nachbarn sei theoretisch bereits heute möglich, sagt Energy Brainpool. Dem Konzept würden aktuell jedoch noch unverhältnismäßig hohe rechtliche Hürden im Weg stehen. Es brauche niedrigere Stromnebenkosten, einen verringerten Verwaltungsaufwand und die Unterstützung bürgernaher Dienstleister, um das Ideal von der zweiten Strommarkt-Liberalisierung umzusetzen. Die totale Freiheit für Bürger beim Handel mit erneuerbar erzeugtem Strom habe zwei entscheidende Vorteile für die Energiewende: Ihr urbanes und dezentrales Potenzial werde deutlich gesteigert. Der klassische Energieversorger spielt laut Impulspapier von Energy Brainpool im Bürgerstromhandel übrigens auch noch eine Rolle: Kommt ein Stromdeal von Bürger zu Bürger zustande, so die Idee, soll der Vorgang dem örtlichen Versorger gemeldet werden, damit dieser den Handel als Dienstleister abwickelt.
Fabian Huneke, Senior Expert von Energy Brainpool, fasst den Kern der Idee und ihre Vorzüge zusammen: „Bei der Liberalisierung des Strommarktes wurde die Rolle der Bürger bisher vernachlässigt. Aber: Sie sind zentrale Akteure eines dezentralen Energiesystems. Erst ihre Teilhabe am Strommarkt versetzt sie in die Lage, die vor Ort technisch und wirtschaftlich effizienten Lösungen umzusetzen. Das schafft kein Gesetz und das schafft keine Verordnung.“
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