Die Preise an der Strombörse schwanken erheblich – in diesem sehr speziellen Jahr ganz besonders und vor allem abwärts. Die Verbraucher haben davon jedoch kaum etwas, denn sie befinden sich in starren Stromtarifen zu weitgehenden Festpreisen. Flexible, dynamische Tarifmodelle könnten dies ändern. Sie sind, obwohl politisch gewollt, allerdings noch in weiter Ferne.

Hohe Verbraucherpreise trotz Stromüberangebot
Die wind- und sonnenreiche erste Jahreshälfte sowie der Corona-bedingt stark gesunkene Energiebedarf haben 2020 zu erheblichen Stromüberschüssen geführt. Bisweilen war so viel Strom im Angebot, dass die Erzeuger noch Geld drauflegen mussten, um ihn loszuwerden. Bereits zwischen Januar und Mai hat es nach Angaben der Bundesnetzagentur ebenso viele Phasen mit negativen Großhandelspreisen für Strom gegeben wie im kompletten letzten Jahr.
Die Haushalte in Deutschland profitieren von den Preisstürzen nicht, denn sie beziehen Strom seit jeher zum Festpreis. Das möchte unter anderem die EU ändern: In einer Richtlinie für den Elektrizitätsbinnenmarkt fordert sie für Verbraucher „Zugang zu Verträgen mit dynamischen Stromtarifen“. Gemeint sind Tarife, bei denen sich der Strompreis flexibel an die jeweilige Angebots- und Verbrauchslage anpasst.
Keine dynamischen Stromtarife ohne Smart Meter
Dynamische Stromtarife sollen es Haushalten und Unternehmen ermöglichen, Strom gezielt dann zu verbrauchen, wenn er günstig ist – also beispielsweise bei hohen Überschüssen oder zu verbrauchsarmen Nebenzeiten. Aber obwohl die Idee gut klingt, ist sie heute noch Zukunftsmusik: „Auch wenn bereits einige Stadtwerke in Pilotprojekten ihren Kunden flexible Strompreise anbieten, stehen wir hier am Anfang der Entwicklung“, heißt es beispielsweise von Seiten des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), der die Interessen der Stadtwerke und örtlichen Versorger in Deutschland vertritt. Das Hauptproblem: Die für eine stundengenaue Abrechnung notwendigen intelligenten Stromzähler – die sogenannten Smart Meter – sind bislang kaum in den Haushalten angekommen. Der Rollout wird sich noch Jahre hinziehen.
Auch die Stromversorger äußern sich zur Thematik erwartungsgemäß zurückhaltend. Viele Kunden würden sich weiterhin Planungs- und Versorgungssicherheit beim Strom wünschen, heißt es beispielsweise vom Energiekonzern E.ON. Deshalb wolle man keine Tarife anbieten, die „unkontrolliert schwanken“.
Überschätztes Sparpotenzial?
Ein weiteres Problem: Verbraucherschützer warnen vor zu großen Sparerwartungen durch Smart Meter und flexible Strompreise. Für Haushalte mit überschaubarem Stromverbrauch sei ein Smart Meter durch die damit verbundenen Zusatzkosten preislich kaum attraktiv, sagt etwa die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Kunden mit höherem Verbrauch, für die bereits die Smart-Meter-Einbaupflicht gilt, könnten von dynamischen Tarifmodellen aber durchaus profitieren.
Ähnlich begrenzt schätzt der VKU das Sparpotenzial durch flexible Stromtarife ein: Nach eigenen Berechnungen liege es bei etwa 20 Euro pro Jahr für einen Musterhaushalt. Hinderlich für größere Kosteneffekte sei vor allem die Struktur des Strompreises. Dieser sei lediglich zu einem Viertel durch die Energieversorger bestimmt. Und tatsächlich: Drei Viertel des Strompreises für Haushaltskunden machen starre Steuern, Abgaben und Netzentgelte aus, die auch bei einer Flexibilisierung der Tarife unverändert bleiben würden.
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