Nicht zum ersten Mal beklagt die Ökostrombranche intransparente, um nicht zu sagen irreführende Praktiken bei der Stromkennzeichnung in Deutschland – und spricht inzwischen sogar schon von einem neuen „Dieselgate“. Das Gros der Energieversorger, so besagen aktuelle Recherchen des Hamburger Ökostrompioniers LichtBlick, liefert Haushaltskunden einen deutlich graueren Strommix, als angegeben.
LichtBlick kritisiert „Deutschlands dreckige Stromanbieter“
Die für die Kunden beschaffte Energie nahezu aller Stromanbieter in Deutschland verursacht bis zu 83 Prozent mehr klimaschädliches CO2, als offiziell angegeben wird. So lautet das Fazit der LichtBlick-Untersuchung, für die bei insgesamt 50 großen deutschen Energieversorgern recherchiert wurde. Grundlage für den Check ist die gesetzliche Stromkennzeichnung, die jeder Versorger zum 1. November eines Jahres veröffentlichen muss. Dort geben die Anbieter an, aus welchen Quellen sie die Energie für ihre Kunden beschaffen und wie hoch die durchschnittlichen CO2-Emissionen ihrer Stromprodukte ausfallen.
LichtBlick sagt: Die Energieversorger profitieren von einer gesetzlichen Regelung, der ihren Strom klimafreundlicher erscheinen lässt, als er ist. Denn jedes Versorgungsunternehmen darf bis zu 45 Prozent nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) geförderten Ökostrom in der Kennzeichnung ausweisen, auch wenn die Anbieter diesen EEG-Strom für ihre Kunden tatsächlich gar nicht einkaufen. Die lediglich virtuelle Anrechnung verbessert zugleich die CO2-Bilanz der Stromtarife – allerdings nur auf dem Papier. LichtBlick hat für seinen Klima-Check nun errechnet, wie der Strommix großer Versorger ohne den EEG-Pflichtanteil aussieht und wie hoch der CO2-Austoß des tatsächlich eingekauften Stroms ist.
Einige Beispiele: Der Energiekonzern Vattenfall gibt in seiner Stromkennzeichnung einen Ökostromanteil von insgesamt 50 Prozent an. Tatsächlich hat das Unternehmen laut LichtBlick-Recherchen nur 17 Prozent Ökostrom für seine Kunden beschafft. Der Anteil der fossilen Energieträger wird offiziell mit 48 Prozent ausgewiesen, liegt aber faktisch bei 80 Prozent. Die Folge: Vattenfall-Strom emittiert im Schnitt 67 Prozent mehr CO2 als angegeben. Deutlich höhere Emissionen, so LichtBlick, würden auch die Stromprodukte anderer populärer Anbieter wie E.ON, EWE, E wie Einfach, DB Energie, Yello Strom und ALDI Süd verursachen. Bei der RWE-Tochter eprimo liege der tatsächliche CO2-Austoß sogar um 83 Prozent über dem in der Stromkennzeichnung veröffentlichten Wert. Den klimaschädlichsten Strom aller von LichtBlick unter die Lupe genommenen Versorger liefert die RWE-Schwester innogy. Im Durchschnitt verursachen innogy-Tarife pro Kilowattstunde Strom 813 Gramm CO2 – 64 Prozent mehr als angegeben.
„Es gibt hier klare Parallelen zur Dieselgate-Affäre. Beim Strom werden die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Pflichtangaben zum Schadstoffausstoß in der Realität weit übertroffen. Verbraucher werden so in die Irre geführt. Dieser Skandal zeigt, wie fahrlässig die Bundesregierung mit den Klimazielen umgeht“, kommentiert Gero Lücking, Geschäftsführer Energiewirtschaft bei LichtBlick. Er fordert vom Gesetzgeber eine klare Regelung, so dass Stromanbieter künftig nur noch die Energiemengen ausweisen dürfen, die sie auch tatsächlich für ihre Kunden beschaffen.
Grafik © LichtBlick
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