Vor ziemlich genau 20 Jahren, Ende April 1998, trat nach Vorgabe der EU das „Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts“ in Kraft – und damit die Liberalisierung der Energiemärkte in Deutschland. Für Verbraucher bedeutete dies in allererster Linie das Recht auf freie Anbieterwahl, eng geknüpft an die Hoffnung auf mehr Wettbewerb zu Gunsten sinkender Preise. Ersteres hat sich bewahrheitet, letzteres nicht. Die Strommarkt-Liberalisierung hatte jedoch noch einen weiteren positiven Effekt: Sie wurde zum entscheidenden Baustein für die Erfolgsgeschichte erneuerbarer Energien.
Daumen runter: Strompreise
Mehr Wettbewerb führt zu sinkenden Preisen? Eigentlich schon, auf dem Strommarkt hat es trotzdem nicht funktioniert. Zwar hat sich das ehemalige Oligopol seit 1998 zu einem lebhaften Gerangel mit inzwischen mehr als 1.000 Anbietern entwickelt, dennoch sind die Strompreise in den letzten zwei Jahrzehnten um ganze 60 Prozent gestiegen. Die Ursache ist allerdings weniger in den Strukturen des Marktes zu suchen, sondern eher bei Vater Staat. Der Anteil von Steuern, Abgaben und Umlagen hat sich binnen 20 Jahren nämlich fast verdreifacht um macht heute mehr als 50 Prozent des Strompreises für Privathaushalte aus. Hinzu kommen die Netzentgelte, die ihrerseits ein weiteres Viertel vom Kuchen schlucken. Für Beschaffung, Vertrieb und Marge der Stromanbieter bleibt gerade mal ein knappes Fünftel dessen, was wir Verbraucher monatlich bezahlen. Immerhin: Das Sparpotenzial für wechselfreudige Stromkunden hat sich kontinuierlich erhöht. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Strompreise ohne die Liberalisierung und ihre Wettbewerbseffekte heute wohl noch deutlich schmerzhafter ausfallen würden.
Daumen hoch: Energiewende
Obwohl die Energiewende in Deutschland und Europa ein in erster Linie politisch gelenkter Prozess ist, hat auch die wachsende Anbietervielfalt einen nicht zu unterschätzenden Anteil am Durchbruch erneuerbarer Energien. Staaten, die die Chancen der Liberalisierung nicht oder erst sehr spät nutzten, verzeichnen heute deutlich niedrigere Ökostrom-Quoten. Dieses Fazit zieht die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) nach Auswertung zentraler Kennzahlen der letzten 20 Jahre zur Entwicklung der Strommärkte in der EU. Der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix ist vor allem in Ländern mit früher Marktöffnung und hoher Anbieterzahl überdurchschnittlich gewachsen. So verzeichnen beispielsweise Dänemark und die Niederlande seit Ende der 1990er Jahre eine Verzehnfachung ihrer Ökostromproduktion. In Deutschland versechsfachte sie sich. Fazit: Pioniere bei der Liberalisierung sind häufig auch Vorreiter beim Ausbau erneuerbarer Energien. Das, so sagt die AEE, liege daran, dass die Auflösung alter, von fossilen Energien geprägter Monopole den Weg frei mache für neue, innovative, umweltfreundliche Unternehmen und Produkte.
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