Der schleichend konkreter werdende Kohleausstieg Deutschlands wird stets in einem Atemzug mit dem Wörtchen Strukturwandel genannt. Gemeint ist der mit dem Kohleaus verbundene Umbruch in den betroffenen Regionen – insbesondere der Wegfall tausender Arbeitsplätze. Ist aber gar nicht so schlimm wie befürchtet, teilt uns eine aktuelle Studie des Freiburger Öko-Instituts im Auftrag des Umweltbundesamtes mit. Denn wenn in Deutschlands Tagebauen und Kohlemeilern der Letzte das Licht ausmache, seien die meisten Angestellten längst in Rente.
Strukturwandel: Ruhestand statt Kündigung
„Der Strukturwandel verläuft vor allem im Braunkohlebergbau entlang der natürlichen Altersgrenzen“, lautet der Schlüsselsatz der Freiburger Studie. Und die Rechnung der Umweltforscher geht so: Wenn Deutschland das Tempo des Kohleausstiegs am Erreichen der Klimaziele orientiere, dann könne die Branche im Jahr 2030 noch insgesamt 8.000 Arbeitskräfte in der Braunkohleförderung und der Kohleverstromung beschäftigen. (Liebe Umweltverbände, den letzten Satz bitte alarmrot markieren.) Ende 2015 waren laut Statistik bundesweit noch 15.400 Arbeitskräfte im Bergbau und weitere 5.400 in Kraftwerken beschäftigt. Mehr als die Hälfte davon sei über 50 Jahre alt, so die Studienautoren, außerdem würden bis 2030 knapp zwei Drittel der Beschäftigten im Bergbau in den Ruhestand gehen. Kurz gesagt: Betriebsbedingte Kündigungen sind kaum notwendig, die Rente löst das Problem.
Ein zweifaches Aber: Zum einen lagen der Studie ausschließlich Altersstrukturdaten für den Braunkohlebergbau vor, die Situation der Arbeitskräfte in den betroffenen Kraftwerken wurde nicht erfasst. Zum anderen hat sich die Untersuchung auch nicht mit den indirekt an der Kohle hängenden Jobs befasst, etwa aus den Bereichen Maschinenbau, Technologie, Logistik etc. Entsprechend deutlich fällt die Kritik des Branchenverbandes DEBRIV aus. In einem Statement heißt es: „Diese Analyse legt willkürlich falsche Annahmen, beispielsweise zur Personalentwicklung in den Energieunternehmen, zu Grunde. Vor allem aber verkennt sie, indem sie ihre Betrachtung nur auf die Beschäftigten in der Braunkohlenindustrie begrenzt, die Tragweite der industriepolitischen und volkswirtschaftlichen Dimension eines raschen Kohlenausstiegs. Hier wird ein Thema mit großer gesellschaftlicher Relevanz bewusst kleingeredet. Mit dieser Realitätsferne kann die Studie des Öko-Instituts keine belastbare Grundlage für die Diskussion um die Zukunft der Reviere sein.“
Bild © Dieter Schütz, Pixelio
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