Die Atomkraftwerke sollen sukzessive abgeschaltet werden. Aber wie wird die “Stromlücke” geschlossen? Zu diesem Thema werden wir Politiker und Verantwortliche der Stromindustrie befragen. Stromauskunft.de sprach mit Dipl. Betriebswirt Thomas Breuer, CFA und Energy Unit Head von Greenpeace e.V.
Es ist Unsinn, Atomkraftwerke wären nötig, um CO2 einzusparen
Frage 1: Der Atomausstieg ist eine beschlossene Sache. Es stellt sich nun die Frage, wie kann die produzierte Energiedifferenz ausgeglichen werden?
Thomas Breuer: Greenpeace hat in seinem Energiekonzept „Plan B“ dargestellt, dass wir schnell aus der Atomenergie aussteigen können und der Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent (gegenüber 1990) verringert werden kann. Wenn die Atomkraftwerke in Deutschland ab 2015 abgeschaltet sind, lässt sich das mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten ausgleichen, ohne dass zusätzliche CO2-Emissionen entstehen. Unser „Plan B“ ist sogar eher konservativ gerechnet. Es ist also Unsinn zu behaupten, Atomkraftwerke wären nötig, um CO2 einzusparen und den Klimawandel aufzuhalten.
Nach „Plan B“ ist die Versorgungs- sicherheit zu jeder Zeit gewährleistet. Hinzu kommt, dass für Deutschland die Importabhängigkeit von Energierohstoffen wie Kohle und Uran sinken wird – in Zeiten knapper werdenden Rohstoffe und steigender Preise ist dies enorm wichtig. Für die Versorgungssicherheit ist es notwendig, die Kraft-Wärme-Kopplung stärker einzusetzen, die großen Potenziale für höhere Energieeffizienz zu erschließen und Erneuerbare Energien weiter auszubauen.
Frage 2: Gibt es eine Prognose, wie hoch etwa der Anteil an Erneuerbaren Energien (EN) in fünf Jahren (2013) sein wird? Können Sie Zahlen liefern?
Breuer: Da wir uns in unserer nationalen Analyse auf 2020 konzentriert haben, können wir nur den Anteil der Erneuerbaren Energien 2020 benennen. Der Anteil Erneuerbarer Energien beträgt im Jahr 2020 nach unserem Plan B 33 Prozent der Bruttostromerzeugung.
Frage 3: Wie bewerten Sie die Option „Fusionsenergie“? Gibt es eine Chance, durch Erhöhung der Fördermittel den Fortschritt zu beschleunigen?
Breuer: Greenpeace lehnt die Kernfusion ab. Das Kernfusionsprojekt ITER in Cadarache in Frankreich verschlingt über die nächsten 30 Jahre 10 Milliarden Euro. Mit diesen 10 Milliarden könnte man nach dem heutigen Stand der Technik 10.000 Megawatt Windstrom zubauen. Ersetzte man Braunkohlekraftwerke, würde das schon heute mit dazu beitragen, dass 100 Millionen Tonnen CO2 eingespart würden. Das bedeutet, dass man schon heute einen konkreten aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten würde und nicht erst in 50 bis 100 Jahren. Darüber hinaus ist völlig unklar, wann und ob die Kernfusion jemals mehr Energie produziert, als man in sie hineinstecken muss.
Zudem fällt bei einem Fusionsreaktor mehr Atommüll an, als beispielsweise bei Atomkraftwerken, wie sie derzeit noch in Deutschland laufen. Der Atommüll selbst ist weniger radioaktiv, da er weniger radioaktive Stoffe mit langen Halbwertzeiten aufweist, als Brennstäbe aus herkömmlichen Atomkraftwerken. Fakt bleibt aber auch hier, dass es nach wie vor keine Lösung für den Atommüll gibt, auch nicht für Atommüll aus dem ITER.
Ein weiteres großes Problem stellt das Proliferationsrisiko dar, also die militärische Nutzung. In einem Fusionsreaktor fällt radioaktives Tritium an. Tritium ist der Stoff, der eingesetzt wird, um Atombomben leichter und effektiver zu machen.
Fazit: Fördermittel sollten lieber in die Weiterentwicklung Erneuerbarer Energien gesteckt werden, die Ihre Leistungsfähigkeit im Gegensatz zur Fusionsenergie schon bewiesen haben.
Linktipps
- Interview Teil 1 Rolf Hempelmann
- Interview Teil 2 Kerstin Andreae
- Interview Teil 3 Dr. Georg Nüßlein
- Interview Teil 4 Gudrun Kopp
- Interview Teil 5 Prof. Dr. Herbert Schui
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Foto © Greenpeace
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