Die in der vergangenen Woche ausgestrahlte 3sat-Dokumentation „Tabu Kernforschung“ schlägt Alarm: Deutschland gehen die Nuklearwissenschaftler aus. Die öffentliche Ächtung der Kernenergie seit Fukushima hat anscheinend gewichtige Nachwuchssorgen im Bereich der Atomphysik mit sich gebracht. Dumm nur, dass der hiesige Atomausstieg inklusive Kraftwerksrückbau und Müllverwahrung noch viele Jahre und Jahrzehnte auf die Expertise der Kernforschung angewiesen sein wird.
Atomausstieg braucht Wissenschaft
Der schrittweise Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie soll im Jahr 2022 seinen Abschluss finden. Danach beginnt jedoch erst die eigentliche Mammutaufgabe: Rückbau der Meiler, Abtransport und schließlich Endlagerung des Atommülls. All dies wird die Bundesrepublik noch Jahrzehnte – im Hinblick auf den Atommüll sogar Jahrtausende – beschäftigen. Dass dieser Prozess auf ein breites wissenschaftliches Fundament angewiesen sein wird, scheint jedoch wenig Beachtung zu finden. Laut den Autoren der 3sat-Doku sind die Fachbereiche Kernforschung und Reaktorwissenschaften nämlich inzwischen zum akademischen Stiefkind verkommen. Die auch weiterhin dringend benötigten Wissenschaftszweige würden geradezu tabuisiert. Die Folge: Die Zahl der Studierenden schrumpft, Forschungsmittel werden gekürzt und Professuren gestrichen. Intensiv betrieben wird die Nuklearwissenschaft hierzulande nur noch in wenigen Forschungszentren. Eine im Rahmen der Dokumentation zu Wort kommende Doktorandin sieht ihre berufliche Zukunft alternativlos im Ausland, mahnt jedoch gleichzeitig: „Wenn so was wie in Fukushima noch einmal passiert, wollen wir dann nur dem glauben, was uns Japaner oder Franzosen oder Amerikaner erzählen oder wollen wir eigene Recherchen machen. Wenn wir das wollen, müssen wir auch Reaktorsicherheitsforschung betreiben.“
Während der Atomausstieg in Deutschland von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wird, offenbart der globale Blick ein völlig anderes Bild: Die momentan insgesamt 30 anderen Kernenergie betreibenden Staaten der Welt wollen ihre Anlagen überwiegend bis zum technischen Lebensende von mindestens 40 Jahren weiterlaufen lassen. Die Mehrheit dieser Länder setzt auch in Zukunft auf die Risikotechnologie und baut sogar neue Atomkraftwerke. Allein in China entstehen derzeit knapp 30 neue Anlagen. Hinzu kommt eine wachsende Zahl bislang AKW-freier Nationen, darunter beispielsweise Saudi-Arabien, die Türkei und Vietnam, die sich trotz Fukushima entschieden haben, in die Nutzung der Kernenergie einzusteigen.
Bild © Pixelio, S. Hofschlaeger
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