Im vergangenen Jahr wurde in der Europäischen Union erstmals mehr Strom aus Wind, Sonne und Biomasse produziert als aus Stein- und Braunkohle. Insgesamt liegt der Anteil erneuerbarer Energien an Europas Strommix nun bei 30 Prozent. Dies besagt eine gemeinsame Analyse zweier energie- und klimapolitischer Thinktanks – Agora Energiewende aus Deutschland und Sandbag aus Großbritannien.
EU-Staaten im Ökostrom-Gefälle
Die Autoren der Studie haben Daten aus zahlreichen öffentlichen Quellen zusammengetragen und sich dabei auf die regenerativen Energieträger Wind, Sonne und Biomasse konzentriert. Die in Europa stark rückläufige und bei Naturschützern ohnehin eher verpönte Wasserkraft blieb außen vor.
Bei der Auswertung der Daten fiel auf: Der Anteil erneuerbarer Energien entwickelt sich innerhalb der EU von Land zu Land sehr unterschiedlich. Beispielsweise haben Großbritannien und Deutschland in den vergangenen drei Jahren mehr als die Hälfte zum EU-weiten Ausbau regenerativer Energien beigetragen – insbesondere die Windkraft spielt hier eine zentrale Rolle. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 30 Prozent des Stroms aus Wind, Sonne und Biomasse gewonnen, in Großbritannien waren es 28 Prozent. Das stärkste prozentuale Wachstum innerhalb Europas verzeichnete Dänemark mit einer Grünstromquote von stolzen 74 Prozent und einem Anstieg um sieben Prozentpunkte binnen eines Jahres.
Dem starken Wachstum in den Aushängeschildern der EU steht allerdings ein kaum spürbarer Aufwärtstrend in vielen anderen Mitgliedstaaten gegenüber: Für Slowenien, Bulgarien, Frankreich, die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn verzeichnet die Studie in diesem Jahrzehnt nur sehr geringe Zuwächse. In allen sechs Ländern wurden 2017 weniger als zehn Prozent des Stroms aus Wind, Sonne und Biomasse gewonnen. Ein weiteres Problem: In einer Reihe anderer EU-Staaten – wie Spanien, Italien, Portugal, Belgien und Griechenland – ist der anfängliche Ökostrom-Aufschwung laut Studie inzwischen träger Stagnation gewichen. Ausnahmen des vor allem in Süd- und Osteuropa zu beobachtenden Negativtrends bilden Kroatien und Rumänien, wo die Anteile erneuerbaren Stroms im Laufe weniger Jahre von niedrigen einstelligen Werten auf 15 bis 20 Prozent gestiegen sind.
„Die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Europa wurde in den vergangenen Jahren stark von der Erfolgsgeschichte der Windenergie in Großbritannien und Deutschland geprägt. Doch nur, wenn alle Länder in Europa sich gleichermaßen engagieren, ist bis 2030 ein Anteil von 35 Prozent erneuerbarer Energien am Energieverbrauch möglich. Hierzu kann die Photovoltaik viel stärker beitragen als bisher. Gemessen an ihrem Potenzial und ihren inzwischen sehr niedrigen Kosten spielt sie eine viel zu kleine Rolle“, sagt Matthias Buck, Leiter Europäische Energiepolitik bei Agora Energiewende, und fügt hinzu: „Gerade in Süd- und Zentraleuropa, aber auch in Spanien und in Griechenland können erneuerbare Energien eine viel größere Rolle spielen. Denn die klimatischen Bedingungen sind dort für erneuerbare Energien sehr günstig.“
Sandbag-Analyst Dave Jones fügt hinzu. „Damit bei den Emissionen etwas passiert, kommen die Länder der Europäischen Union nicht umhin, Kohlekraftwerke stillzulegen. Nach unseren Berechnungen haben 258 Kohlekraftwerke in der EU im vergangenen Jahr 38 Prozent aller Emissionen im Emissionshandelssystem verursacht. Das entspricht 15 Prozent des gesamten Treibhausgasausstoßes. Wir brauchen einen schnellen und kompletten Kohleausstieg in Europa. Es wäre absurd, Elektroautos noch in den 2030er-Jahren mit Strom aus Kohle aufzuladen.“
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