Was hat der europäische Emissionshandel mit einem Wasserbett zu tun? Die Experten der Berliner Denkfabrik Agora Energiewende erklären es – und auch, warum damit jetzt löblicherweise Schluss ist.
„Vom Wasserbett zur Badewanne“
Der europäische Emissionshandel, kurz ETS (Emissions Trading System), dient dazu, die Treibhausgasemissionen in der EU unter möglichst geringen volkswirtschaftlichen Kosten zu senken, indem eine begrenzte Zahl an Emissionsrechten ausgegeben und anschließend auf einem Markt gehandelt wird. Als „Wasserbetteffekt“ wurde das bisherige Manko des ETS bezeichnet, dass zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen – beispielsweise die Stilllegung von Kohlekraftwerken – nur einen eingeschränkten Effekt hatten. Denn die dadurch frei werdenden Emissionsrechte wurden nicht etwa gelöscht, sondern standen plötzlich anderen Emittenten zur Verfügung. Um in der Metapher zu bleiben: Wurde das Wasserbett an der einen Stelle eingedrückt, beulte es sich an der anderen wieder aus. Besonders lobenswerter, weil außerplanmäßiger Klimaschutz wurde damit quasi wirkungslos.
Im April dieses Jahres wurde der ETS reformiert. Seither gilt, dass überschüssige Emissionszertifikate ab 2023 entweder automatisch aus dem System gelöscht oder dezidiert von den teilnehmenden Staaten entwertet werden können. Letzteres würde beispielsweise beim angestrebten Kohleausstieg Deutschlands geschehen. „Aus dem Wasserbett ist eine Badewanne mit Überlaufventil geworden“, erklärt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Über dieses Ventil fließen überschüssige Zertifikate kontrolliert ab. Das alte Argument, dass zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen nichts bringen, gilt damit nicht mehr.“
Die aktuelle ETS-Reform sei ein wichtiger, aber auch nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einem wirksamen Klimaschutzinstrument für Europa, urteilen die Experten. Künftig wird man bei den Rahmenbedingungen ein wenig mehr Augenmaß als bislang beweisen müssen. Da wäre zum Beispiel folgende Schieflage: Zwar wird laut Reform die Menge der ausgegebenen Emissionszertifikate ab 2021 jährlich um 2,2 Prozent gesenkt und damit stärker als bisher. Angesichts des Zubaus an erneuerbaren Energien, der erwarteten Stilllegung von Kohlekraftwerken und des allgemeinen Trends von Kohle zu Erdgas dürften die tatsächlichen Emissionen jedoch mindestens ebenso schnell sinken. Die Folge wären Emissionsrechte im Überfluss – und damit ein erneut wirkungsloser ETS. Die Bedingungen müssen sich also stets an den reellen Entwicklungen orientieren.
Linktipp: Hintergründe zum Emissionshandel vom Klimakönner Blog.
Bild © Buntschatten, Pixelio
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